as Projekt Cybersyn („cybernetic synergy“) war während der Regierung Salvador Allendes (1970–1973) ein chilenischer Versuch, die Zentralverwaltungswirtschaft in Echtzeit durch Computer zu kontrollieren. Im Wesentlichen war es ein Fernschreiber-Netzwerk, das Fabriken mit einem zentralen Computer in Santiago verband. Am 11. September 1973 übernahm eine Militärjunta gewaltsam die Kontrolle über Chile und General Augusto Pinochet übernahm die Macht. Mitten in dieser Übernahme entdeckte das Militär einen seltsamen Raum in einem unauffälligen Bürogebäude in der Innenstadt von Santiago. Der Raum hatte eine sechseckige Form mit sieben weißen Fiberglasstühlen, die in einem nach innen weisenden Kreis angeordnet waren. Diese Operationszentrale war die physikalische Schnittstelle für ein komplexes System namens Cybersyn. Kurz nach dem Militärputsch wurde das Kontrollzentrum zerstört. Die Gesamtkosten des Projektes wurden von Raul Espejo mit ca. 150.000 $ (Stand 1973) beziffert.
Cybersyn war ein ehrgeiziges Projekt in Technologie und Design, das der chilenischen sozialistischen Wirtschaft zum Erfolg verhelfen sollte. Ein Jahr lang wurde an Cybersyn gebaut, es wurde aber nie ganz fertiggestellt. Es gab 400 unbenutzte von der Vorgängerregierung gekaufte Fernschreiber, die auf die Fabriken des Landes aufgeteilt wurden. Im Kontrollzentrum in Santiago wurden die Daten (sieben verschiedene Kennzahlen wie Materialverbrauch, Produktion und Anzahl der nicht zur Arbeit Erschienenen), die täglich von den Fabriken kamen, in einen IBM System/360-50 Mainframe eingegeben, der kurzfristige Prognosen errechnete und notwendige Abstimmungen vornahm.
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Es gab vier Steuerungsebenen (Firma, Zweig, Sektor, Total), basierend auf der Algedonischen Schleife. Wenn eine niedrigere Steuerungsebene das Problem nicht in einer gewissen Zeit lösen konnte, wurde die nächsthöhere Ebene benachrichtigt. Die Ergebnisse wurden im Transaktionsraum besprochen und ein Plan auf oberster Ebene erstellt. In der Software sollten so verstärkende und abschwächende Kommunikationselemente einen dritten Weg, eine gerechtere Antwort auf die existierenden Planwirtschaften von Kuba und der Sowjetunion abbilden.
Die Software für Cybersyn wurde Cyberstride genannt und benutzte Bayes-Filter. Sie wurde von einem Team aus zwölf britischen Programmierern nach dem Viable System Model geschrieben. Auch nach dem Ende des Projektes ist diese Software weiterentwickelt worden und im Jahr 1985 unter dem Namen Coordinator kommerziell auf den Markt gekommen. Später ist das Programm dann an Novell verkauft worden.
Der futuristische Transaktionsraum wurde von einem Team unter der Leitung des Interfacedesigners Gui Bonsiepe entworfen. Er war mit sieben Drehsesseln ausgestattet (von denen man annahm, sie seien kreativitätsfördernd) mit Knöpfen, die mehrere große Bildschirme kontrollieren sollten, auf denen die Daten und andere Elemente mit Zustandsgrößen angezeigt wurden. Von dem Raum wurde allerdings lediglich ein Mock-up erstellt.
Den größten Nutzen brachte das System im Oktober 1972, als ca. 50.000 Fuhrunternehmer die Straßen Santiagos blockierten. Durch die Fernschreiber war es der Regierung möglich, den Lebensmittel-Transport in die Stadt mit ca. 200 regierungstreuen LKWs zu koordinieren. Bemerkenswert ist, dass hierbei das eigentliche Cybersyn-Kernprogramm gar nicht benutzt wurde, sondern über das Fernschreibernetzwerk sich die Logistiker untereinander Kapazitäten und Touren mitteilten. Später sahen Flores und Espejo in diesem Kommunikationsmuster einen der ersten Ansätze des heutigen Internet – was so aber nicht beabsichtigt war. Trotzdem wird es heute als sozialistisches Internet bezeichnet. Das Cybersyn-System stellte über der fernschreiberbasierten Netztopologie auch eine erste Groupware in der Anwendungsschicht dar.
2017/18 hat S4P auf Cybersyn aufbauende Arbeiten zur Echtzeitsteuerung von Supply Chains begonnen.
Quellen: